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Besatz mit Bachforellen – Allheilmittel oder Teufelszeug?

Besatz mit Bachforellen – Allheilmittel oder Teufelszeug?

Ich bin ein begeisterter Angler und als Wissenschaftler bei der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg tätig. In beiden Funktionen treffe ich immer wieder auf Gewässerbewirtschafter, die mich zum Thema Besatz in der Forellenregion ansprechen. Sie registrieren, dass das Thema Fischbesatz höchst kontrovers diskutiert wird und vertreten selber unterschiedlichste Meinungen. Manche glauben es ist ein Allheilmittel, manche halten Fischbesatz für Teufelszeug. Aber was trifft nun zu?

Ich war aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit in der glücklichen Lage, der Frage nach dem Sinn und Unsinn von Besatzmaßnahmen in der Bachforellenregion in einem Forschungsprojekt längerfristig nachzugehen und komme daher heute zu dem Schluss, dass der Besatz mit Bachforellen weder ein generelles Allheilmittel ist, noch per se verteufelt werden muss. Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen: Besatz mit Bachforellen sollte nicht generell abgelehnt werden, ist aber auch nur unter bestimmten Umständen zielführend.

Die erste Frage, die man sich vor einer Besatzmaßnahme stellen sollte, ist relativ simpel: muss überhaupt besetzt werden? Oder kann man die Defizite, die in meinem Gewässer zu schwindenden Beständen geführt haben, vielleicht mit habitatverbessernden Maßnahmen ausgleichen? Dadurch wird langfristig und dauerhaft deutlich mehr erreicht, als mit dem permanenten Aussetzen von nachgezogenen Fischen. Ein Beispiel: In einem Bach im Südschwarzwald konnte man die fischschädlichen Einleitungen aus der örtlichen Industrie stoppen. Besetzt wurde weiterhin. Zum Teil aus Tradition, zum Teil auch mit der Hoffnung, damit „etwas Gutes“ zu tun. Man nutze dafür Nachkommen von Laichtiere aus dem Gewässer. Aber nach mehr als 20 Jahren Besatz stellte man sich die Frage, ob es diese überhaupt bedürfe. Schließlich waren (und sind) jedes Jahr schöne Bachforellen auf den Laichplätzen zu beobachten. Heute, 14 Jahre später, kann ich sagen, dass dieses „Null-Besatzprojekt“ ein voller Erfolg war: Der fischereiliche Ertrag ist nicht eingebrochen, im Gegenteil, in den ersten Jahren nach Besatzstopp ist er sogar gestiegen. Heute ist er auf dem gleichen Niveau wie zu Zeiten mit Besatz. Auch steht die Anglerschaft geschlossen hinter diesem Projekt. Man ist stolz, seine eigenen, „wilden“ Fische zu fangen.

Nach wie vor gibt es viele Bäche und Flüsse, in denen sich Bachforellen natürlich vermehren. Sollte man auf Grundlage der zuvor dargestellten Ergebnisse in diesen Gewässern den Besatz mit Bachforellen verteufeln? Kann hier zu viel „kaputtgemacht“, also die natürliche Population in Mitleidenschaft gezogen werden? Nun, wenn man mit Nachkommen aus dem jeweiligen Besatzgewässer oder zumindest aus dem betreffenden Einzugsgebiet besetzt, sind die Fehlermöglichkeiten relativ gering. Denn Bachforellen nehmen, sobald sie aus dem Sediment schlüpfen, ein Revier ein und verteidigen dieses aggressiv gegenüber einwandernde bzw. besetzte Artgenossen. Ist also ein Gewässer bzw. die darin vorhandene Lebensraumkapazität mit angestammten Forellen „aufgefüllt“, haben Besatzforellen kaum eine Chance, sich anzusiedeln. Dann sind Besatzmaßnahmen unnütz und herausgeschmissenes Geld. Fairerweise muss man dann auch zugestehen, dass von diesen Fischen – solange ihre Eltern aus dem Besatzgewässer bzw. dessen Einzugsgebiet stammen - kaum eine Gefahr ausgeht. Sie verschwinden zumeist nahezu unbemerkt. Es sei denn, sie setzen zu viele Fische aus! Wir konnten in Versuchen zeigen, dass bei übertrieben hohen Besatzzahlen heimische Fische verdrängt werden können. Dies sind jedoch genau die Fische, die gelernt haben, in dem Gewässer zu überleben, und damit also genau die Fische, die jeder Gewässerbewirtschafter fördern sollte!

Wir haben bei unseren Versuchen festgestellt, dass in allen Gewässern, die noch über eine angemessene natürliche Rekrutierung verfügen, jede Besatzmaßnahme unnütz war. Dies ist relativ einfach zu erklären: Bachforellen besitzen eine sehr erfolgreiche Vermehrungsstrategie. Sie legen zumeist so viele Eier ab, dass es zu einem natürlichen „Überbesatz“ kommt. Bildlich gesprochen versucht die Bachforelle immer, die vorhandene Lebensraumkapazität auszuschöpfen, um eine stabile Population zu bilden bzw. gefeit gegen negative Einflüsse (Hochwasser, Trockenheit, etc.) zu sein. Warum also besetzen? Denken sie an ein Wasserglas: Mehr als „voll“ geht nun einmal nicht.

Aber natürlich gibt es auch Gewässer, die stark verbaut sind, in denen eine natürliche Vermehrung kaum nachweisbar ist und in welchen ein einzelner Verein relativ wenig an der Habitatqualität ändern kann. In diesen Gewässern ist manchmal nur durch Besatz ein fischereilicher Ertrag zu erzielen. Aber auch hier ist Besatz kein Allheilmittel: Ernüchternde Wiederfangraten von 20 % bei Forellen, die schon in Speisefischgröße besetzt wurden und binnen weniger Wochen ausgefischt werden, sind normal. Man sollte nicht dem Trugschluss unterliegen, dass ältere Zuchtfische länger im Gewässer verbleiben bzw. überleben. Je länger die Fische unter Fischzuchtbedingungen aufgewachsen sind, desto länger benötigen sie auch, sich auf Naturnahrung umzustellen bzw. sich an natürliche Gegebenheiten anzupassen.

Wenn mich heute jemand fragt, ob er besetzen sollte, ist meine Gegenfrage immer: liegt eine natürliche Rekrutierung vor? Wenn ja, rate ich zur starken Reduktion bzw. gar zum Aussetzen der Maßnahme. Wenn keine natürliche Reproduktion vorliegt, frage ich, ob dieses irgendwie über wasserbauliche Maßnahmen oder andere Managementansätze erreicht werden kann. Wird auch dies verneint, kann über Besatzmaßnahmen nachgedacht werden. Aber: Jedes Gewässer ist anders, es gibt keine einfache, für alle Gewässer gleichlautende „goldene Regel“ für Besatzmenge, Besatzgröße, Besatzzeit usw. Es existieren jedoch Besatzleitlinien, deren Einsatz ich jeden Gewässerbewirtschafter ans Herz lege, da dadurch das gesamte Handeln überdacht und auf die jeweiligen gewässerspezifischen Eigenheiten zugeschnitten wird.

Daher mein Appell an dieser Stelle: Hinterfragen Sie ihre eigenen Besatzmaßnahmen. Ich weiß, es ist nicht einfach, die genauen Wiederfang- und Überlebensraten von besetzten Fischen zu beziffern. Oftmals helfen jedoch gute Fangstatistiken oder auch die Hinzuziehung eines Fischereisachverständigen, der über Markierungsexperimente mehr in Erfahrung bringen kann. Außerdem, und das möchte ich betonen, kann jeder Verein auch einmal eine Besatzmaßnahme aussetzen und die Jahre mit und ohne Besatzeinfluss vergleichen. Wie ich ihnen zuvor berichtet habe, kann dies zu ganz unerwarteten positiven Ergebnissen führen.

Ich verbleibe mit besten Fischergrüßen vom Bodensee,

Dr. Jan Baer

Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg, Argenweg 50/1, D- 88085 Langenargen

08.01.2015

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Dazu gehörige Leserbriefe:

1. Leserbrief von Florian Prinoth

 

 

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